Kommentar zur PREVENTT-Studie

Kommentar zur PREVENTT-Studie

Zwischen 10 und 48% aller chirurgischen Patienten weisen eine präoperative Anämie auf, welche mit einer erhöhten Transfusionswahrscheinlichkeit und einem schlechteren Outcome assoziiert wird [1].  Innerhalb der Patient Blood Management Maßnahmen bildet das präoperative Anämiemanagement daher eine wichtige Säule. Mehrere Studien belegen die Wirksamkeit der PBM-Maßnahmen [2-4] sowie den Nutzen von präoperativen Eisengaben [5-7]. Es gibt jedoch auch Studien, die deren Nutzen in Frage stellen.

Da uns regelmäßig Fragen bezüglich der PREVENTT-Studie [8] erreichen, möchten wir die Inhalte an dieser Stelle darstellen.

In der PREVENTT-Studie wurde zwischen dem 06.01.2014 und dem 28.09.2018 an 46 britischen Krankenhäusern untersucht, ob eine intravenöse Eisentherapie vor einer größeren, offenen elektiven Bauchoperation (doppelblindes, randomisiertes Parallelgruppenstudiendesign) die Anämie korrigiert, den Bedarf an Bluttransfusionen verringert und zu einer Verbesserung der Patientenergebnisse führt. Entsprechend der WHO-Definition wurde die Anämie als ein Hämoglobinwert von weniger als 13 g/dl für Männer und 12 g/dl für Frauen definiert. Anämen Patienten wurde in der Folge in einer Ratio von 1:1 zwischen 10 und 42 Tagen vor der Operation entweder intravenös Eisen oder Placebo verabreicht. Die Gabe des intravenösen Eisens erfolgte als einzelne 1.000-mg-Dosis Eisen(III)-carboxymaltose in 100 ml Kochsalzlösung. Als Placebo wurde 100 ml Kochsalzlösung verabreicht. Die Infusion erfolgte jeweils über 15 Minuten.

Insgesamt erhielten 243 Patienten zufällig Placebo und 244 intravenöses Eisen. Von den 237 Placebo-Patienten erhielten 67 (28%) eine Bluttransfusion oder verstarben. Von den 237 Verum-Patienten waren es 69 (29%) (Risikoverhältnis 1,03, 95 %-KI 0,78–1,37; p = 0,84). In der Placebo-Gruppe wurden 111 Bluttransfusionen und in der Eisen-Gruppe 105 verabreicht (Ratenverhältnis 0,98; 95 %-KI 0,68–1,43; p = 0,93). Leider wurde keine standardisierte Indikation für Transfusion angegeben.

Bis zur Operation stieg der Hb-Wert in der Eisen-Gruppe signifikant an (Mittelwertdifferenz 4,7 g/L; 95 %-KI 2,7-6,8 g/L). Innerhalb der Eisen-Gruppe zeigten 21% (42/244) eine Korrektur der Anämie, innerhalb der Placebo-Gruppe 10% (21/243) (Risikoquote 2,06; 95%-KI 1,27-3,35). Insgesamt unterschied sich der Hb-Wert der zwei Gruppen erst acht Wochen und sechs Monate nach der Operation signifikant (Abbildung 1). Hier lag die Mittelwertdifferenz in der Eisen-Gruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe jeweils bei 10,7 g/L (95%-KI 7,8–13,7) und 7,3 g/L (95%-KI 3,6–11,1). Im Vergleich zur Placebo-Gruppe (22%) war auch die Krankenhauswiederaufnahmerate in der Eisen-Gruppe (13%) geringer (Risikoverhältnis 0,61; 95%-KI 0,40-0,91). Die Studie zeigt insgesamt keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen für einen der vorgegebenen Sicherheitsendpunkte.

Die PREVENTT-Studie kommt daher zu dem Schluss, dass präoperative intravenöse Eisengaben keine Reduktion von EKs oder eine Verbesserung des Outcomes zur Folge haben.

Abbildung 1: Mittlere Hämoglobinkonzentrationen der Studienteilnehmer nach randomisierter Behandlungsgruppe; Fehlerbalken zeigen 95 %-CI. BL = vorab randomisierte Grundbehandlung. OP = Operationstag vor der Operation. D = Tage post OP (z. B. D2–3 = Tag 2 oder 3 nach der Operation). Messungen für D2–3, D4–5, D6–7 und D14 sind nur verfügbar für Patienten, die zu diesem Zeitpunkt noch im Krankenhaus waren. IV = intravenös [8].

Abbildung 1: Mittlere Hämoglobinkonzentrationen der Studienteilnehmer nach randomisierter Behandlungsgruppe; Fehlerbalken zeigen 95 %-CI. BL = vorab randomisierte Grundbehandlung. OP = Operationstag vor der Operation. D = Tage post OP (z. B. D2–3 = Tag 2 oder 3 nach der Operation). Messungen für D2–3, D4–5, D6–7 und D14 sind nur verfügbar für Patienten, die zu diesem Zeitpunkt noch im Krankenhaus waren. IV = intravenös [8].

Unser Fazit:

Zwischen 20–30 % der Weltbevölkerung leiden unter einer Anämie. In chirurgischen Patienten liegt die Anämieprävalenz präoperativ bei bis zu 48%. Dabei handelt es sich aber nur in ca. 30% um eine Eisenmangelanämie und in 70 % um eine Anämie ohne Eisenmangel. Die PREVENTT-Studie unterstreicht daher die Wichtigkeit einer routinemäßigen, präoperativen Anämiediagnostik für ein erfolgreiches Anämiemanagement sowie die Einhaltung evidenzbasierter Transfusionstrigger.

Die PREVENTT-Studie deutet außerdem an, dass zukünftige Studien als Outcome anstatt der Menge benötigter EKs, nach Möglichkeit das theoretische Blutvolumen des Patienten und das tatsächliche Volumen des EKs mit einbeziehen sollten, um auch feinere Unterschiede messen zu können.

Beachtlich ist die Zahl der eingeschlossenen Patienten, und dass viele Patienten bereits 10 und 42 Tagen vor OP in die Studie eingeschlossen werden. Voller Potential ist außerdem der postoperative Anstieg des Hb-Wertes, sowie die geringe KH-Wiederaufnahmerate. Hier liegen die Chancen und der Raum für weitere Studien.

Auch andere Wissenschaftler haben die PREVENTT-Studie kommentiert:

The PREVENTT randomised, double-blind, controlled trial of preoperative intravenous iron to treat anaemia before major abdominal surgery: an independent discussion – PubMed (nih.gov)

Iron deficiency in PREVENTT – Authors‘ reply – The Lancet

Iron deficiency in PREVENTT – The Lancet

Iron deficiency in PREVENTT – The Lancet

Iron deficiency in PREVENTT (thelancet.com)

Falls Sie weitere Fragen haben oder Einschätzungen wünschen, können Sie sich gerne an uns wenden: patientbloodmanagement@kgu.de

  1. Munoz M, Gomez-Ramirez S, Campos A, et al. Pre-operative anaemia: prevalence, consequences and approaches to management. Blood Transfus. 2015;13(3):370-9.
  2. Meybohm P, Herrmann E, Steinbicker AU, et al. Patient Blood Management is Associated With a Substantial Reduction of Red Blood Cell Utilization and Safe for Patient’s Outcome: A Prospective, Multicenter Cohort Study With a Noninferiority Design. Ann Surg. 2016;264(2):203-11.
  3. Althoff FC, Neb H, Herrmann E, et al. Multimodal Patient Blood Management Program Based on a Three-pillar Strategy: A Systematic Review and Meta-analysis. Ann Surg. 2019;269(5):794-804.
  4. Leahy MF, Hofmann A, Towler S, et al. Improved outcomes and reduced costs associated with a health-system-wide patient blood management program: a retrospective observational study in four major adult tertiary-care hospitals. Transfusion. 2017;57(6):1347-58.
  5. Triphaus C, Judd L, Glaser P, et al. Effectiveness of Preoperative Iron Supplementation in Major Surgical Patients with Iron Deficiency: A Prospective Observational Study. Ann Surg. 2019;Sep1;274(3):e212-e9.
  6. Froessler B, Palm P, Weber I, et al. The Important Role for Intravenous Iron in Perioperative Patient Blood Management in Major Abdominal Surgery: A Randomized Controlled Trial. Ann Surg. 2016;264(1):41-6.
  7. Quintana-Diaz M, Fabra-Cadenas S, Gomez-Ramirez S, et al. A fast-track anaemia clinic in the Emergency Department: feasibility and efficacy of intravenous iron administration for treating sub-acute iron deficiency anaemia. Blood Transfus. 2016;14(2):126-33.
  8. Richards T, Baikady RR, Clevenger B, et al. Preoperative intravenous iron to treat anaemia before major abdominal surgery (PREVENTT): a randomised, double-blind, controlled trial. The Lancet. 2020;396(10259):1353-61.